Veranstaltungsformat Open Space

Das Beste: Kaffepausen

„Das Beste an den Konferenzen sind eigentlich die Kaffeepausen.“ Nachdem Harrison Owen zahlreiche sorgfältig durchgeplante Events organisiert hatte, war diese Erkenntnis zuerst ernüchternd. Wozu der ganze Zauber, wenn dann in zwanglosen Bewegungen und Begegnungen zwischen Stehtischen nicht selten viel spannendere Themen besprochen werden als im Hauptsaal? Warum kann nicht einfach die ganze Veranstaltung so ablaufen? Aus diesen Überlegungen heraus kreierte Harrison Owen – eigentlich eher zum Spaß – die erste Open-Space-Konferenz und war selbst überrascht, dass diese einfache Einladung zur Selbstorganisation immer und immer und immer wieder funktionierte.

Selbst-Organisation funktioniert

Zu Beginn ist da nur eine große Runde möglicherweise sehr interessanter Menschen und eine leere Wand, auf der mögliche Zeiten und Räume für die nächsten Stunden und Tage notiert sind. Was wann wo passieren wird – das liegt an den Teilnehmer:innen, denn hier kann prinzipiell jede:r die Initiative ergreifen und ein Angebot starten. Mancherorts (wie auch hier) werden zusätzlich auch einige Impulsgeber:innen eingeladen, die ihre Erfahrungen und Expertise mit dem Thema wie alle anderen einbringen. Ist die Programmwand gefüllt und sind alle Räume vergeben, geht es erst richtig los.

Lebendig und frei

Was Gespräche in Kaffeepausen so lebendig macht, ist u. a. die Tatsache, dass sich alle sehr frei bewegen können. Man schaut sich um und hat zu irgendeinem Menschen oder Tischgrüppchen Resonanz. Vielleicht hört man einfach mal zu, wirft etwas ein, endet in einer tiefschürfenden Diskussion – oder geht ganz ungezwungen wieder weiter, sobald das eigene Interesse nachlässt und am Nachbartisch ein wichtiges Stichwort gefallen ist. Aus dieser Beobachtung heraus, wie sehr die Möglichkeit zur Selbstbestimmtheit die Produktivität in Unterhaltungen beeinflusst, hat Harrison Owen vier Open-Space-Prinzipien und das „Gesetz der zwei Füße“ formuliert.

Das Gesetz der zwei Füße

„Das Gesetz der zwei Füße“ besagt, dass jede:r nur so lange in einer Gruppe bleiben soll, so lange er/sie dort einen Beitrag leisten und/oder etwas lernen kann. Man darf jederzeit auch mittendrin aufstehen und in eine andere Gruppe gehen oder einfach nichts tun und die Gedanken schweifen lassen an irgendeinem netten Platz.

4 Prinzipien

Dazu passend unterstreichen die vier Prinzipien das Vertrauen in die organischen Dynamiken der Selbstorganisation: 1. Wer immer kommt, ist gerade die richtige Person. 2. Was auch geschehen mag – es ist das einzige, was geschehen kann. 3. Wann immer es beginnt, es ist die richtige Zeit. 4. Vorbei ist vorbei.

Schätze der Erkenntnis

Was nach dem Open Space meist bleibt, sind neben den inhaltlichen Erkenntnisschätzen, konkreten Problemlösungen, hilfreichen Kontakten, geplanten und gestarteten Initiativen auch wertvolle Erfahrungen mit eigenverantwortlichem Handeln. In diesem Setting ist niemand mehr gezwungen, was vorgesetzt wurde, womöglich über sich ergehen zu lassen, sondern wird ermutigt, selbst zu entscheiden, was man mit der eigenen Zeit und Energie macht. Das gilt im Grunde auch für alle möglichen anderen Orte, an denen wir uns sonst so bewegen. Oft stellen sich die gleichen Fragen: Was kann ich hier lernen? Was kann ich einbringen? Wie kann ich mitgestalten?

Die Ernte

Alle Workshops berichten am Abend, was in ihrer Gruppe los war, Inhalt, Stimmung, Beschlüsse oder was auch immer. So erfahren alle Symposiumsteilnehmer:innen alles und man wird Zeuge der Fülle. Manchmal kommt man bei der Ernte erst drauf, wo man noch gerne dabei gewesen wäre. Eine Netzwerk- und Schlussrunde am letzten Tag beendet die Veranstaltung.

Wie im richtigen Leben

Eine einzige Beschwerde kommt nach Open-Space-Symposien jedes Mal: „Da läuft so viel Interessantes gleichzeitig. Ich kann mich nicht entscheiden!“ Das können wir nicht ändern, denn das ist leider genauso wie auch sonst im Leben: Man versäumt einfach fast immer fast alles. Buchtipp: Harrison Owen, Open Space Technology – Ein Leitfaden für die Praxis, Schäffer-Poeschel Verlag, 2011